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Kurzbiografie
1893
Am 1. November wird Andreas Paul Weber als Sohn eines Eisenbahnassistenten in Arnstadt (Thüringen) geboren.
1903-1910
Besuch der Realschule in Arnstadt.
Kurzer Besuch der Kunstgewerbeschule in Erfurt.
1908-1914
Mitgliedschaft im Jung-Wandervogel, einer Bewegung, die im Wandern und naturgemäßer Lebensweise einen neuen Lebensstil sucht.
1911-1913
Tätigkeit als Gebrauchsgraphiker.
Erste lithografische Versuche.
1914-1918
Kriegsdienst als Eisenbahnpionier an der Ostfront.
1916
Einsatz als Zeichner und Karikaturist bei der „Zeitung der 10. Armee“ in Wilna.
1917
Erste Buchillustration zu Paul Lingens Gedichtfolge „Requiem“.
1918
Kriegsdienst an der Westfront.
1918-1932
Aufträge für den Matthes-Verlag, z. B. Schaffung eines Werbeplakates für ein antisemitisches Buch von Artur Dinter. Im Matthes-Verlag fanden sich eine ganze Anzahl von Autoren, die antisemitischem Gedankengut anhingen, u.a. Hjalmar Kutzleb – ein Klassenkamerad Webers – „Der Zeitgenosse“, Wilhelm Stapel: „Literatenwäsche“, 1928 Manfred von Killinger: „Ernstes und Heiteres aus dem Putschleben“. Ebenso Aufträge für weitere Verlage, wie den Oscar Brandstetter-Verlag in Leipzig.
1920
Heirat mit Toni Klander.
Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor.
1925
Gründung der „Clan-Presse“: Werbegraphik, Signets, Exlibris.
1928
Mitwirkung im „Widerstandskreis“ um Ernst Niekisch.
Beziehungen zu Ernst und Friedrich Georg Jünger, Hjalmar Kutzleb u.a. „national-revolutionären“ Schriftstellern. Weber folgt ihren Ideen oft nur bedingt, teilt aber die wachsende Sorge um die Zukunft Deutschlands.
1930-1932
Ausmalung von Grenzlandjugendherbergen im Auftrag von Alfred Toepfer.
1931-1936
Neben Niekisch, der für eine nationalbolschewistische und antiwestliche Politik eintritt, Mitherausgeber der Zeitschrift „Widerstand“, für die Weber das Signet entwirft. Politisch-satirische, oft weitsichtige Illustrationen für den Widerstandsverlag, u.a. zu „Hitler – ein deutsches Verhängnis“ (1932).
1932-1945
Mitgestaltung des „Deutschen Volkskalenders Nordschleswig“. Herausgeber ist Webers Freund Hans Schmidt-Gorsblock, dem heute eine enge Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut nahegelegt wird.
Zahlreiche Porträts in Ölmalerei.
1936
Nach Wohnsitzen in Berlin-Spandau, Oberellen, Nikolausberg, Reinhausen und auf dem Brümmerhof (Lüneburger Heide) Umzug nach Schretstaken (Kreis Herzogtum Lauenburg).
Erste Weber-Monographie von Hugo Fischer im Widerstandsverlag.
1937
Festnahme am 2. Juli wegen der Kontakte zum „Widerstandskreis“ sowie der Nicht-Teilnahme an der Volksabstimmung und des Nicht-Hissens der Nationalsozialistischen Flagge auf dem Grundstück in Schretstaken anlässlich der vorgegebenen Tage. Zahlreiche politische Zeichnungen werden mitgenommen und vernichtet.
Gestapo-Haft in Hamburg-Fuhlsbüttel, in Berlin und Nürnberg bis zum 15. Dezember 1937.
Dort erste Zeichnungen zu den Folgen „Schachspieler“ und „Wald“.
1938
Reise nach Florida, USA.
Eingliederung in die für Künstlerinnen und Künstler obligatorische Reichskulturkammer, vor seiner Verhaftung hatte Weber sich dem verweigert. Weber war zu keiner Zeit Mitglied der NSDAP und stand nicht auf der sogenannten Gottbegnadetenliste.
ab 1939
Arbeiten für die von Johannes Böse geleitete „Griffelkunst-Vereinigung Hamburg“ (bis 1980: 157 Lithos).
1939-1941
Bilderzyklen „Britische Bilder“ und „Leviathan“ im Auftrag der Nationalsozialisten, erschienen im nationalsozialistischen Nibelungenverlag.
1940-1941
Teilnahme an einigen Ausstellungen der Preußischen Akademie der Künste in Berlin (Verkaufsausstellungen).
1942
Gestaltung des Titelbildes (Präsidentengattin Eleanor Roosevelt) für „Das ist Amerika“, Nibelungen-Verlag Berlin-Leipzig, eine antisemitische Hetzschrift gegen die amerikanische Oberschicht jüdischen Glaubens in den USA.
Präsentation von Bildern aus dem Zyklus „Leviathan“ auf der Frühjahrsausstellung der Preußischen Akademie der Künste in Berlin
1943
Zeichnung der Vignette „Adler und Schlange“ für den Deutschen Volkskalender Nordschleswig zum 10jährigen Jubiläum der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Das Motiv ist auch Bestandteil eines Briefmarkenentwurfs.
1944, September
Der Teppich von Bayeux im „Illustrierten Beobachter“ im Stil der Britischen Bilder. Im Illustrierten Beobachter wurden anscheinend weitere Bilder Webers veröffentlicht.
1944, September – 1945, Mai
Kriegsdienst
ab 1947
Zahlreiche Lithografien. Weber zeigt satirisch menschliche Schwächen und weist kritisch auf
Missstände in Gesellschaft und Umwelt hin.
1951
Gründung des „A. Paul Weber-Kreises“ in der „Griffelkunst-Vereinigung“ mit zeitweise über 400 Mitgliedern.
ab 1952
Zahlreiche Tiermotive, zunächst für das Kalendarium des „Lichtwark-Kalenders“.
1954-1967
Mitarbeit an der Satire-Zeitschrift „Simplicissimus“.
1955
Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein.
ab 1959
Herausgabe der „Kritischen Kalender“ mit Grafiken, denen Texte aus Literatur und Tagespresse zur Seite gestellt werden (bis 1980: ca. 600 Arbeiten).
1960
Zeichnung „Die Ratte“ als einzige, großformatig abgedruckte Illustration zu einem Bericht von Robert Neumann „Noch geschieht es bei Nacht und Nebel. Umfrage an Künstler und Politiker des In- und Auslandes zu den antisemitischen Ausschreitungen. Wo stehen wir 15 Jahre danach?“, in dem neben Heinrich Böll, Willy Brandt, Hans Magnus Enzensberger, Gerhard Marcks und Otto Pankok weitere 60 Persönlichkeiten zu Wort kamen. Über die Ratte und die damit verbundenen Erinnerungen an die nationalsozialistische Diktatur schrieb Weber am 25. Dezember 1962 an seinen Freund Alf Depser: „ … es ist doch traurig – wie schnell vergessen wird – auch bei mir melden sich die Menschen – die viel zu häufig Schlußstriche ziehen wollen – es ist doch ein Unterschied – ob man noch Rache schnaubt oder eben in Gedanken an das Mögliche Lehren daraus zieht.“
1968
Bebilderung des Buches „Der Blick vom Turm“ von Günther Anders (bürgerlich: Günther Siegmund Stern).
ab 1969
Mitarbeit an der Zeitschrift „Erasmus“.
1971
Ernennung zum Professor und Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes.
1973
Ankauf und Renovierung des heutigen A. Paul Weber-Museums durch den Kreis Herzogtum Lauenburg.
Einrichtung unter Mitarbeit Webers. Eröffnung am 30.9. 1973 durch Bundespräsident Gustav Heinemann.
1974
Gründung der „A. Paul Weber-Gesellschaft“.
1977
Illustrationen zu Goethes „Reineke Fuchs“.
Große Ausstellung in Reykjavik (Island).
1980
Letzte große Illustrationsfolge zu einer medizinkritischen Artikelserie im SPIEGEL.
Am 9.11.1980 im Alter von 87 Jahren in Schretstaken verstorben.
Zeitgenössische Kommentare
43 Federzeichnungen entstanden als kleine Streubilder 1930 für das Buch „Literatenwäsche“. Der Autor Wilhelm Stapel, Redakteur der Monatszeitschrift „Deutsches Volkstum“, wurde von Niekisch als „geschickter Polemiker von tiefer Bildung“ charakterisiert, „der sich immer am Rande des Antisemitismus bewegte.“ Weber sparte in den Illustrationen die Juden, die auch Symbolfiguren des Großkapitals waren, nicht aus. Ein polemisches Gedicht von Stapel über Kurt Tucholsky illustrierte er mit einer Karikatur, die diesen als aufgespießtes Insekt darstellte (Abb. 141). Tucholsky selbst reagierte auf diese Zeichnung amüsiert. Er schrieb unter seinem Pseudonym Peter Panter in der Rezension des Buches: „Wäre der Text so hübsch wie die im Stil Heinrich Kleys gehaltenen Streubildchen A. Paul Webers (mich hat er als Laus aufgespießt), dann könnte man 128 Seiten lang lachen. So gähnt man, als seien es dreihundert.“ (Vossische Zeitung, 29.6.1930)
Erne Maier erinnerte sich an den Anlass der Zeichnung „Die Ratte“: „1960 empörte sich A. Paul Weber über Hakenkreuzschmierereien an jüdischen Grabsteinen. … Er zeichnete aus dem Impuls der Empörung. Er mußte zeichnen. Aber während er zeichnete, gewann unter seinen Händen die Ratte ein Eigenleben. Sie erinnert nicht an häßliche Tiere, die in Abwässerkanälen leben. Ihre Augen zeigen ein selbstbewußtes, eigenwilliges, gefährliches Geschöpf.“
Am 30.6.1975 schrieb die Mary Tucholsky, Witwe von Kurt Tucholsky und Leiterin des Kurt Tucholsky-Archives: „Sehr verehrter Herr A. Paul Weber, Ihren seit langem erwarteten KRITISCHEN KALENDER 1975 habe ich erhalten und danke Ihnen sehr herzlich dafür. Ich freue mich, diese neuste Ausgabe im Archiv zu besitzen und meinen Archivbesuchern Ihre grandiosen Karikaturen vorführen zu können.“
Am 23.8.1985 klagte Arie Goral gegen die öffentliche Präsentation des „Börsenjobbers“ bei der Griffelkunst-Jubiläumsausstellung im Hamburger Congress-Centrum wegen Verdachts der Volksverhetzung, da er in den Gesichtszügen einen Juden zu erkennen glaubte und das Blatt für antisemitisch hielt. Das Verfahren wurdeeingestellt. Die Anwälte hatten am 7.1.1986 argumentiert: „Ist schon der Vorwurf der Kollaboration mit den Nazis verfehlt, so erst recht der Vorwurf des Antisemitismus. Herr Arp hat schon 1982 darauf hingewiesen … , daß Weber 1968 ein Buch von Günther Anders mit 13 Lithographien ausgestattet hat. Wenn ein prominenter deutscher Jude wie Anders, der heute in Wien als undogmatischer Sozialist und unermüdlicher Warner vor dem Holocaust lebt, in dieser Weise mit Weber, dessen gesamtes Werk ihm bekannt war, zusammengearbeitet hat, wird ernsthaft die Frage erlaubt sein, ob man Weber antisemitische Tendenzen unterschieben kann. Das beanstandete Bild gibt dafür nichts her.“